Zusammenfassung
Hintergrund: Vor 25 Jahren hat ein Wandel in der Klassifikation der Depression begonnen, welcher
inzwischen weltweit Anerkennung gefunden hat. Neben dem Nutzen einer Vereinheitlichung
und Ent-Ideologisierung hat diese neue, phänomenologische Nosologie auch zu problematischen
Entwicklungen geführt: die Prävalenz depressiver Störungen und vor allem die medikamentöse
Behandlung sind erheblich gestiegen. Die Diskussion darüber, ob klassifizierende Fragebogenerhebungen,
die konzeptionell dieses Diagnosekonzept repräsentieren, überhaupt in der Lage sind,
emotionale Störungen in der Hausarztpraxis zu erfassen, legt die Überlegung nahe,
dass ein rein auf Symptomen beruhendes, die Umstände und Geschichte des Patienten
nicht beachtendes Konzept unter Hausärzten umstritten sein könnte. In einer Analyse
aktueller allgemeinmedizinischer Publikationen zur Depression sollte untersucht werden,
in wie weit das neue, phänomenologische Konzept dort Eingang gefunden hat.
Methode: Es wurden 9 aktuelle Lehrbücher und Zeitschriftenartikel von 3 allgemeinmedizinischen
Zeitschriften der letzten 4 Jahre im Hinblick auf die Fragestellung untersucht.
Ergebnisse: Nur ein Lehrbuch vertritt noch die alte Klassifikation, ein weiteres nutzt eigene
allgemeinmedizinische Klassifikationen. Von den 16 gefundenen Zeitschriftenartikeln
ließ sich bei einem überhaupt kein diagnostisches Konzept finden und 2 nutzten eigene
Konzepte. Alle 13 anderen Artikel nutzten die neuen Klassifikationen nach ICD-10 oder
DSM-IV. Implizit allerdings wurde bei einigen Lehrtexten im Kontext von mit der Depression
verwandten Themen in Inhalt oder der benutzten Terminologie deutlich, dass in der
konkreten Anwendung alte Konzepte weiter wirken.
Diskussion: Das neue phänomenologische Konzept hat auch in der deutschen allgemeinmedizinischen
Literatur das alte, ätiologisch orientierte abgelöst. Allerdings fallen einige Autoren
im Kontext konkreter Anwendung immer wieder in alte, über die Phänomenologie hinaus
gehende Konzepte der Depression zurück.
Schlussfolgerung: Es ist zu diskutieren, ob ein rein phänomenologisches Konzept der Depression der
Situation in der Hausarztpraxis angemessen ist.
Abstract
Background: For the last 25 years a major change in the diagnostic concept of depression has
happened. This development has brought the advantage of standardization but disadvantages
as well: Prevalence and the use of antidepressants have increased dramatically. A
discussion is going on among GPs about the diagnostic ability of instruments (questionnairs)
representing the new concept. The new concept has maybe not yet reached in General
Practice Context and history of development of a Symptom are not represented in the
ICD-10, which is in contrast to the way GPs work. This study analyzes current publications
from General Practice with regard to the question which concepts are used.
Methods: Articles from 9 textbooks and 3 German journals about depression were analyzed.
Results: Only one textbook is still referring to the „old” classification, and one textbook
is using its own traditional German/Austrian Classification. The other 13 journal
articles used the new concepts of ICD-10 or DSM-IV. In some of the publications the
concepts were not used consistantly. When depression was not the main topic but only
dealt within the context, some authors ”fell back” into the language and concepts
of former classifications (like IDC-9).
Discussion: The new concept has reached German general practice concerning the definition of
depression. But concrete often the old concepts are still in use.
Conclusion: Maybe the new concepts do not always suit the situation in General Practice.
Schlüsselwörter
Depression - Hausarzt - Klassifikation - Konzept
Key words
depression - General Practice - classification